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Daily Archives: 21. Juli 2021

Geschäftschronik der Lederwarenhandlung „Gebrüder Blach“

Blach-Chronik-deutsche-Abschrift-für-Gedenkbuch-B

Quelle: Friederike Fechner

Grundstückseigentum und Gewerbe der Stralsunder Juden

Jüdische-Geschäfte-in-Stralsund-1932_Quelle-WAZ.docx

Quelle_Wohnungsanzeiger Stralsund 1933

Liste-der-juedischen-Geschaefte-in-Stralsund-1938-Quelle-Rep.-29

Quelle_Stadtarchiv Stralsund, Rep. 29

Geschäfte-Stralsund-1938

Bericht-ueber-Verkauf-letzten-juedischen-Geschaeftes

Quelle_Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 433

Die „Polenaktion“

Als „Polenaktion“ wurde die Ausweisung und gewaltsame Vertreibung aller Juden polnischer Staatsangehörigkeit aus dem Deutschen Reich bezeichnet. Sie erfolgte auf Anweisung Heinrich Himmlers im Oktober 1938 und kam für die Betroffenen völlig überraschend.

Die Abschiebung der polnischen Juden aus Stralsund 1938

Am 27.10.1938 erließ der Reichsinnenminister Heydrich den Befehl, Juden polnischer Staatsbürgerschaft mit sofortiger Wirkung auszuweisen. Wie so oft erfolgte die Information über diesen Tatbestand mittels Schnellbrief und sofortiger Verfügung.

Einen Tag später wurde den Betroffenen zwischen 13.00 und 14.00 Uhr und gegen Unterschriftsleistung die entsprechende Benachrichtigung zugestellt. In Stralsund betraf dies sieben Familien: Osias Fliesswasser mit seiner Frau und zwei Kindern, Hermann Fliesswasser mit Frau und zwei Kindern, Cilly und Jakob Grossmann, Leo Pila mit Frau und zwei Kindern, Minna Sobel und Sohn Samuel Leon, Jakob Schnauzer mit Frau und Kind sowie Leon Buchsbaum mit Frau und zwei Kindern.

Die Beschwerde gegen den Ausweisungsbescheid war zwar zulässig und wurde von den meisten Betroffenen auch umgehend genutzt, aber die NS-Regierung schaffte Tatsachen. Noch am gleichen Nachmittag wurden die Betroffenen durch die Polizei verhaftet und zum Stralsunder Bahnhof gebracht, wo sie, von einem Polizeibeamten, der dafür zu sorgen hatte, dass sie nicht wieder ausstiegen, um 19.47 Uhr in den Zug nach Stettin gesetzt wurden. Spät in der Nacht kamen sie in Stettin an. An eine Weiterfahrt war nicht zu denken. Aus diesem Grund lieferte der begleitende Polizeibeamte die Familien um 23.45 Uhr im Stettiner Polizeigefängnis ein. In der Frühe des folgenden Tages, genau um 06.35 Uhr, bestiegen die übermüdeten und verschüchterten Menschen den Zug nach Schneidemühl (heute: Pila). Dort angekommen, kassierte der Polizeibeamte die Fahrtkosten von ihnen. Hermann Fließwasser hatte 45,50 Reichsmark zu zahlen, da seine Familie am stärksten vertreten war; Leon Buchsbaum und die anderen wurden mit 32,50 Reichsmark zur Kasse gebeten.

Schneidemühl war nicht die Endstation ihrer Odyssee. Es ging abends noch einmal weiter. Um 18.30 Uhr bestiegen sie den Zug nach Bromberg (heute: Bydgoszcz), diesmal ohne polizeiliche Begleitung, denn im Verständnis der Nationalsozialisten waren die Familien in ihrer „Heimat“ angekommen.

Die Familien von Leon Buchsbaum, Jakob Schnauzer und Osias Fließwasser fanden Zuflucht in der jüdischen Gemeinde von Bydgoszcz, in der Waly Jagollonskie 7. Dieses Gebäude (Synagoge) existiert heute nicht mehr. Die Familie von Leo Pila kehrte in die Geburtsstadt des Vaters, Belchatow, ul. Dworske 16, zurück. Die Beschwerden der Familien gegen die Ausweisung wurden von offizieller Seite abgelehnt. Eine Ausnahme machte man nur bei Hermann Fliesswasser. Bei ihm stellte man an der Grenze fest, dass er kein polnischer Staatsbürger war. Er durfte wieder zurück. Bei seiner Frau und den Kindern blieb die Verordnung zur Ausweisung bestehen. Die Familie entzog sich ihr durch die Flucht nach Belgien Ende 1938. Nach Kriegsbeginn wurden alle Familienangehörigen gleichzeitig aus dem Sammellager Mechelen/Malines ins Konzentrationslager Auschwitz gebracht und sind dort kurz nach dem 26.09.1942 umgekommen.

Minna Sobel und ihr Sohn entgingen der Ausweisung, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits gültige Visa für die Ausreise nach Palästina für den Dezember 1938 besaßen. Auch Jakob Grossmann bestieg den Zug nach Stettin nicht. Wie einem Brief von ihm zu entnehmen ist, bereitete er sich auf die Ausreise nach Palästina vor und konnte dies entsprechend nachweisen.

Noch während die Familien auf der Reise zu ihrem endgültigen Wohnsitz in Polen waren, beantragten die Männer einen befristeten Aufenthalt zur Abwicklung ihrer Stralsunder Geschäfte. Diese waren teilweise unbeaufsichtigt und ohne Verwalter zurückgeblieben. Dokumentiert ist allerdings nur, dass Osias Fliesswasser im Juli 1939 für einen Monat nach Stralsund zurückkehrte und hier sein Geschäft abwickeln konnte. Allen anderen wurde eine Rückkehr nicht gewährt. Die Stadt setzte Finanzprüfer und einen Kaufmann ein, um die Waren zu verkaufen, die Läden neu zu vermieten und die Häuser und Grundstücke weiter zu veräußern. Natürlich immer unter dem Gesichtspunkt, für sich selbst den größten Gewinn aus diesen Transaktionen zu ziehen.

Als letzte bekannte Anschriften dieser Familien vom Ende Dezember 1938 sind bekannt:

  • Osias Fliesswasser: Warszawa, Jagullaska 28
  • Regina Pila: M.B.Schwarzberg, Belchatow, ul. 11, Listopada 16, Powiat Piotrowski
  • Leon Buchsbaum: Bydgoszcz, Zydowska Gmyna
  • Jakob Schnauzer: Drohobycz, Kojtowska Gora 101a, Polen. 

Mit dem Überfall Nazideutschlands auf Polen im September 1939 war dann das endgültige Schicksal dieser Personen besiegelt.