Enemy Alien“

Die Bezeichnung „Enemy Alien“ wird seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für Ausländer gebraucht, die sich dauerhaft oder zeitweise in einem Staat aufhalten, der sich mit ihrem Herkunftsland in einem militärischen oder nicht-militärischen Konflikt befindet. Der Begriff wurde bereits im Ersten Weltkrieg genutzt und fand auch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges seine sofortige Anwendung.

Ohne Unterschied wurden bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nach Großbritannien geflüchtete Deutsche – in der Mehrheit Juden – zu „Enemy Aliens“ erklärt und konnten sich nur unter Auflagen1 frei bewegen. Auch war es ihnen verboten, Fahrzeuge, Rundfunkgeräte, Landkarten und Kameras zu besitzen.

Im Herbst 1939 wurden die betreffenden Personen kategorisiert und durch örtliche Tribunale ihr Gefährdungsgrad für den britischen Staat festgestellt. Nur diejenigen, die in der Gruppe „A“ erfasst waren, wurden interniert. Jüdische Erwachsene und im Arbeitsprozess stehende Flüchtlinge aus Deutschland erhielten in der Regel den Status „C“ zuerkannt und waren damit von der Internierung ausgeschlossen. Von allen nach England geflohenen Geschwistern der Erich Joseph-Familie haben sich die Registrierungskarten dieser Tribunale erhalten2.

Nach dem Überfall Deutschlands auf die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich im Frühjahr 1940 wurden auch die EA der Gruppen „B“ und „C“ interniert – Österreicher, Deutsche, ab Ende Mai auch Frauen zwischen 16 und 60 Jahren. Es fand eine erneute genaue Untersuchung statt. Da die Internierungslager an ihre Belastungsgrenzen gekommen waren, verschiffte man mehrere Tausend Internierte im Sommer 1940 nach Australien, Kanada und Neuseeland. Eines dieser Schiffe, die mit 1.150 Betroffene beladene „Arandora Star“3 wurde auf dem Weg nach Kanada torpediert und sank.

Dieses Ereignis und bekannt gewordene Misshandlungen von Internierten in den Lagern führten zu Parlamentsdebatten in England und letztendlich zur Einstellung der Transporte, später auch der Internierungen. Die Personen wurden vor die Wahl gestellt entweder in Australien und Übersee zu bleiben, in die britische Armee als Freiwillige einzutreten oder nach England zurückgebracht zu werden.

Bei den Kindern, die mit den Kindertransporten Ende 1938/Anfang 1939 nach England gekommen waren, sah die Lage etwas anders aus. Diejenigen, die in der Zwischenzeit älter als 16 Jahre waren und nicht bei Pflegefamilien, wurden genauso interniert4 und behandelt wie andere „Enemy Aliens“. Einige von ihnen nutzten später die Chance und traten in die britische Armee ein, um aktiv etwas gegen Hitler zu tun. Zu diesen zählte auch Wolfgang Fliesswasser aus Stralsund.

Von anderen Stralsundern ist leider nicht bekannt, ob sie ebenfalls interniert wurden. Jüngere Kinder, deren Pflegeeltern für sie bürgten, wurden wie andere britische Kinder in das Landesinnere geschickt und dort vor deutschen Bombenangriffen in Sicherheit gebracht.

Auch die USA aktivierten nach dem Angriff auf Pearl Harbor all jene Paragraphen der Verfassung, die eine Internierung von „Enemy Aliens“ ermöglichten. Der Prozess der Internierung entsprach dem vorher geschilderten in Großbritannien. Anders als in Großbritannien hielt man in Amerika die Lager aber bis 1948 offen.

Quellen:

  1. World War II Enemy Alien Control Program Overview, Staatsarchiv der USA, World War II. Enemy Alien Control www.archives.gov, abgerufen am 12. Februar 2022
  2. Wikipedia, Enemy Alien, www.wikipedia.de
  3. Mark Jonathan Harris/Deborah Oppenheimer: Kindertransport in eine fremde Welt, Goldmann Verlag München, 2000

1 Ihr Bewegungsradius umfasste eine 3-Meilen-Zone um ihren Wohnort.

2 Im Privatbesitz der Familie.

3 Weitere Einsatzschiffe waren die „Duchess of York“, „Dunera“, „Sobieski“, „Ettrick“. Mit Ihnen wurden insgesamt 7.500 Internierte nach Übersee gebracht.

4 Dies betraf ca. 1.000 Teilnehmer der „Kindertransporte“. 400 von ihnen wurden nach Kanada und Australien transportiert.