Vorname Carl
Nachname Böhm
Geburtsname
Geburtsdatum 16.02.1879
Geburtsort Oppeln (Opole), Schlesien, heutiges Polen
Wohnort(e)
  • Stralsund, Badenstraße 43
  • Stralsund, Külpstraße 8
Beruf Kaufmann, Stoffgroßhandel
Geschäftsadresse Heilgeiststraße 30, Stralsund
Familienstand alleinstehend
Verwandschaftsverhältnis Sohn von Samuel Böhm und Rosalie Rosenstein
Deportation 12.02.1940 Piaski
Todesdatum 30.07.1940
Sterbeort Belzyce, Polen

Carl Böhm

Carl Böhm stammt aus Oppeln (Opole), im heutigen Polen und ist seit 1905 in Stralsund nachgewiesen. Er war das erste Kind des Getreidehändlers Samuel Böhm und seiner Ehefrau Rosalinde, geb. Rosenstein, und wurde am 16. Februar 1879 geboren. Seine beiden Geschwister, Julius (geb. 1881) und Ella Selma (geb. 1886) kamen ebenfalls in Oppeln zur Welt.

Carl Böhm wird in Stralsund zuerst als Handlungsgehilfe geführt und wohnte bis 1912 in der Haupteinkaufsstraße der Stadt, der Ossenreyerstraße (Nr. 56). Ab 1920 erscheint er in den Adressbüchern Stralsunds als selbstständiger Kaufmann mit Wohnsitz in der Mühlenstraße 9. Sein Tätigkeitsfeld war der Großhandel mit Stoffen und Tuchen. Die Geschäfte liefen anscheinend gut, denn er bezog 1924 eine Wohnung in einer der besseren Straßen, der Badenstraße 43. 1934 besaß er ein Kontor im Wulfcrona-Haus, Heilgeiststraße 30. Den Besitzer, den finnischen Konsul Rudolf Voß, zählte er zu seinen Freunden. Karl Böhm blieb unverheiratet und hatte auch keine Kinder.

Er war einer der ersten jüdischen Kaufleute, die nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ihr Geschäft aufgaben und für immer schlossen.

1937 tauchte er noch als Kaufmann mit Geschäftsräumen in der Heilgeiststraße 30 auf, aber 1939 wird er „ohne Beruf“ und Geschäftsadresse angegeben.

Wie alle anderen jüdischen Männer mit nicht klar erkennbarem jüdischen Vornamen erhält er am 09. August 1939 den Zwangsnamen „Israel“ eingetragen.

1936/37 und wahrscheinlich auch 1938 wohnte er in der Külpstraße 8 (Nähe Alter Markt). Da er alleinstehend, ohne Familienanhang und gesellig war, war er Stammgast beim täglichen Mittagstisch im Hinterzimmer des Restaurants vom Hotel „Goldener Löwe“. Das Hotel war zum damaligen Zeitpunkt noch immer das erste Haus am Platze. Sein Besitzer, Richard Schilling, bewirtete in der Gaststätte zum Alten Markt hin die Stadtprominenz, zu der sich ab 1933 bei bestimmten Anlässen auch NS-Größen wie Goebbels gesellten, und im Hinterzimmer seine langjährigen, treuen Kunden, die jetzt nicht mehr zum “gesellschaftlichen Umgang” gehörten1. Unter Umständen stammt aus dieser Zeit auch sein Spitzname „Puschen2-Böhm“, lagen doch Wohnung und Hinterzimmer keine 100 Schritte voneinander entfernt, was das Anziehen von guten Straßenschuhen erübrigte.

Carl Böhm gehörte zu den 34 Stralsunder Juden, die am 12. Februar 1940 mit der ersten Deportationswelle in das Ghetto Piaski abtransportiert wurden. Im Mai 1940 wird er, da als arbeitstauglich eingestuft, mit weiteren Männern aus Piaski in ein Arbeitslager, eventuell Trawniki3, verschleppt. Die „Lubliner Judenliste“ verzeichnet ihn als „ausgesiedelt“. Nie wieder tauchte er in Briefen oder Dokumenten jener Zeit auf.

Sein Stolperstein gehört zu den ersten vier, die am 25. August 2006 in Stralsund verlegt wurden und befindet sich vor dem Eingang des Restaurants „Zum Goldenen Löwen“ in Stralsund, dem Ort, wo er letztmalig eine menschenwürdige Behandlung in Freiheit erfuhr.

Quellen:

  1. Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, www.yvng.org
  2. Mapping the lives-Eintrag, www.mappingthelives.org
  3. Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945, www.bundesarchiv.de
  4. Eberhard Schiel: Braune Schatten überm Sund, Scheunenverlag, Saal/Mecklenburg, 1999
  5. Wolfgang Wilhelmus: Die Lubliner Judenliste, in der Reihe: Zeitgeschichte regional, Hrsg.: Geschichtswerkstatt Rostock e.V., 2009

1 siehe dazu: Eberhard Schiel: Braune Schatten überm Sund, Scheunenverlag Saal/Mecklenburg, 1999
2 “Puschen” ist der niederdeutsche Ausdruck für Hausschuhe, Pantoffeln.
3 Seit 1940 existierte in Trawniki (40 km südöstlich von Lublin) ein Kriegsgefangenenlager (Sowjetarmee). Zwischen Juni und September 1941 begann die SS, ein von ihr betriebenes Ausbildungs- und Zwangsarbeitslager zu errichten. Die SS bildete hier “nicht-deutsche” bzw. sogenannte “volksdeutsche” Wachmänner für den Einsatz in den besetzten Gebieten aus (Trawniki-Men). Das Zwangsarbeitslager wurde 1943 dem KZ Majdanek unterstellt. Im November 1943 wurde das Zwangsarbeitslager “aufgelöst”, d.h. sämtliche jüdische Gefangene wurden erschossen.