Vorname Hans-Oskar
Nachname Löwenstein de Witt
Geburtsname
Geburtsdatum 22.06.1926
Geburtsort Stralsund
Wohnort(e)
  • Stralsund, Wasserstraße 30
  • Berlin, Mommsenstraße
Beruf freier Börsenmakler
Geschäftsadresse
Familienstand alleinstehend
Verwandschaftsverhältnis Sohn von Fritz Löwenstein (1893-1971) und Johanna Christin de Witt (1898-1983)
Deportation keine
Todesdatum 2004
Sterbeort Berlin-Charlottenburg

Hans-Oskar Löwenstein de Witt

Hans-Oskar Löwenstein de Witt war der Sohn des jüdischen Heilpraktikers Fritz Löwenstein (1893-1971) und der Nichtjüdin Johanna Christin de Witt (1898-1983). Nach der Heirat zogen seine Eltern nach Stralsund und der Vater eröffnete in der Wasserstraße 30 seine Praxis, die er dort von 1923-1935 betrieb. Am 26. Juni 1926 wurde Hans-Oskar in Stralsund geboren.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten durfte Fritz Löwenstein seine Arbeit nicht fortführen1. Da er aus einer sehr vermögenden Familie von Fabrikbesitzern stammte und seine Frau Nachkomme eines alten Adelsstammes mit weitreichenden Beziehungen hinein in die Oberschicht des Kaiserreiches und später auch der Nationalsozialisten war, konnte die Familie de Witt ihren Lebensstandard weiter aufrecht erhalten. Die Familie zog jedoch um nach Berlin, in die Nähe von Familienmitgliedern2, die gute Beziehungen zu den neuen Machthabern unterhielten.

Hans-Oskar wurde von den Nationalsozialisten als „Mischling I. Grades“ eingestuft und hatte deshalb ab 1938 nur Zugang zur Schule der jüdischen Reformgemeinde3. Dazu musste er zum Judentum übertreten und zählte zu den Personen, die die Nationalsozialisten mit dem Begriff „Geltungsjuden“4 bezeichneten. Hans-Oskar musste den Zwangsnamen „Israel“ annehmen und auch den Judenstern tragen. Mit seinem vierzehnten Geburtstag hörte für ihn die Schule auf: wie sein Vater wurde er durch das „Amt für Judenarbeit“ zur Zwangsarbeit in die „Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken“ (DWM) geschickt.

Anfang des Jahres 1943 setzte die große Deportationswelle Berliner Juden ein. Die Gestapo inhaftierte in der „Fabrikaktion“5 die noch verbliebenen und bisher unter dem „Schutz“ von „privilegierten Mischehen“ stehenden Berliner Juden und brachte sie in verschiedene Sammellager. Etwa 2.000 Juden wurden in die Rosenstraße 2-4, ein Gebäude der Jüdischen Gemeinde Berlins, gebracht, das Kultuszwecken (Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge) gedient hatte. Unter den Inhaftierten befanden sich Hans-Oskar und Fritz Löwenstein de Witt. Die Geschehnisse dieser Haft sowie die sie begleitende Protestaktion der Angehörigen vor dem Gebäude Rosenstraße 2-4 werden anschaulich dargestellt in verschiedenen Zeitungsartikeln6 sowie in dem gleichnamigen Buch und dem Film von Margarete von Trotta, für den die Gespräche mit Hans-Oskar Löwenstein de Witt eine sehr wichtige Quelle waren.

Der Erfolg der Protestaktion brachte Vater und Sohn die Rückkehr in ihre Wohnung in der Mommsenstraße, aber auch erneute Zwangsarbeit. Im Sommer 1944 flohen die Löwenstein de Witts nach Potsdam und versteckten sich dort bei einer Verwandten. Im Januar 1945 wurden sie verraten und Vater und Sohn kamen in ein Lager im Wedding. Kurz vor Kriegsende floh die SS-Wachmannschaft und Fritz und Hans-Oskar Löwenstein de Witt kamen frei.

Obwohl Fritz nach dem Krieg ein hohes Amt im brandenburgischen Sozialministerium bekleidete, wurde die Familie in der DDR nicht heimisch. 1950 wanderten sie nach Israel aus. Hans-Oskar diente als Soldat in der israelischen Armee, arbeitete bei der Post von Tel Aviv und leitete eine Keksfabrik, sein Vater arbeitete erneut im Sozialministerium. Der Staat Israel gewährte lediglich dem Vater die vollen Staatsbürgerrechte, die des „Reformjuden“ Hans-Oskar und seiner christlichen Mutter waren eingeschränkt. Deshalb verließen die Löwenstein de Witts Israel nach 16 Jahren wieder und kehrten 1966 zurück nach Westberlin.

Hier lebte Hans-Oskar bei seinen Eltern in der Nürnberger Straße 25 bis zum Tod seiner Mutter im Jahr 1983. Sein Vater war bereits zwölf Jahre früher verstorben. Hans-Oskar Löwenstein de Witt war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Er verstarb 2004 im Alter von 78 Jahren in Berlin, Charlottenburg.

Quellen:

  1. Kerstin Decker, Hans-Oskar Baron Löwenstein de Witt, 19.11.2004, in: www.tagesspiegel.de/Wirtschaft/Hans-Oskar-Baron-Löwenstein-de-Witt, 09.02.2021
  2. Rosenstraße-Protest, in: www.linkfang.org/Wiki/Rosenstraße-Protest, 09.02.2021
  3. Philipp Gessler, Einmal nicht geschwiegen, in: www.taz.de, 09.02.2021
  4. Adressbuch für den Großraum Berlin, 1968, 1973, 1985
  5. Wikipedia, Hans Oskar Baron Löwenstein de Witt, 09.02.2021
  6. Mythos und Wirklichkeit der „Fabrikaktion“, Frauenprotest in der Rosenstraße – 27. Februar 1943, in: www.berlin-Judentum.de/Denkmal/rosenstrasse.htm, 08.02.2021

1  Auf der Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 07.04.1933 wurden jüdische Ärzte, die im öffentlichen Gesundheitswesen angestellt waren, arbeitslos. Eine Zusammenarbeit mit einem jüdischen Heilpraktiker verbot sich daraufhin für alle anderen von selbst.

2  Der Polizeipräsident von Berlin, Wolf Heinrich von Helldorf, war ein Großonkel von Hans-Oskar. Eine Tante war Mitglied der NSDAP und trug das goldene Parteiabzeichen, die dritthöchste Auszeichnung der NSDAP.

3  Die Jüdische Reformgemeinde war eine eigenständige Struktur innerhalb der jüdischen Gemeinde Berlins (1845-1939). Sie kennzeichnete ein Gottesdienst in vorwiegend deutscher Sprache sowie moderne, vorwiegend formal unterschiedliche Aspekte (keine Trennung von Frauen und Männer während des Gottesdienstes, Verzicht auf die Beschneidung, Prediger haben keine gesetzgeberische Funktion mehr, u.a.). Quelle: Wikipedia, 10.02.2021

4  „Geltungsjuden“ waren Personen, die sich selbst als Juden bezeichneten oder die jüdische Religion ausübten ohne selbst jüdische Eltern bzw. Vorfahren von beiden Seiten gehabt hatten. (Quelle: Reichsbürgergesetz (RBG) vom 15. September 1935)

5  Der Name der Inhaftierungen am 27.02.1943 nimmt Bezug auf die Tatsache, dass die Inhaftierten größtenteils direkt aus den Fabriken rausgeholt und in verschiedene Sammellager gebracht wurden.

6 Siehe dazu: www.linkfang.org/Wiki/Rosenstraße-Protest und in den Dokumenten im Anhang des Gedenkbuches