Vorname Georg
Nachname Wertheim
Geburtsname
Geburtsdatum 11.02.1857
Geburtsort Stralsund
Wohnort(e)
  • Stralsund, Mühlenstraße 56
  • Berlin,
Beruf Kaufmann, Warenhausgründer
Geschäftsadresse "Wertheim Kaufhaus", Ossenreyerstraße 8-12, Stralsund
Familienstand verheiratet
Verwandschaftsverhältnis Ehemann von Ursula Gilka (1885-1976), Vater von Ursula Froeb (1907-1989) und Albrecht (1910-1998)
Deportation keine
Todesdatum 31.12.1939
Sterbeort Berlin

Georg Wertheim und Familie

Georg Wertheim wurde am 11. Februar 1857 als zweiter Sohn des jüdischen Kaufmanns Abraham Wertheim (1819-1891) und dessen Ehefrau Ida Wolff (1830-1918) in Stralsund geboren. Abraham war mit seinem Bruder Theodor 1852 nach Stralsund gekommen und hatte hier ein “Manufactur- und Modewarengeschäft” in der Wasserstraße 14 eröffnet. Geschäftlich trennten sich aber bald ihre Wege. Abraham blieb in Stralsund, heiratete und gründete eine Familie, während Theodor weiterzog.

Die beiden ältesten Söhne Abrahams, Hugo (1856-1883) und Georg, absolvierten zu Beginn der 1870er Jahre eine kaufmännische Lehre bei ihrem Onkel in Berlin1. Dadurch lernten sie neue Trends und neue Handelspraktiken kennen und erwarben sich ein weltmännisches, offenes und gewandtes Auftreten. Nach dem Abschluss kehrten sie nach Stralsund zurück, um in das Unternehmen der Eltern als Partner einzutreten.

Abraham und Ida Wertheim hatten am 17. November 1875 ein neues Geschäft in der Mühlenstraße 50, Ecke Mönchstraße2 eröffnet. Hugo und Georg übernahmen die Unternehmensleitung und führten neue Geschäftsprinzipien ein; so den Kauf gegen Barzahlung und mit Rückgabegewähr, Vorhalten eines breiten Sortiments und Festpreise.

Die gute Geschäftslage ermöglichte es den Wertheims im Jahr 1880 das größere Haus Mühlenstraße 56 und sie verlegten das Unternehmen dorthin. Das Wertheim-Kaufhaus wurde zum größten seiner Art in Stralsund. In der zweiten Etage des Gebäudes lebte die elfköpfige Familie in einer großzügigen Wohnung, die ihren neuen Einkommensverhältnissen entsprach.

1883 starb Hugo während einer Reise nach Italien an Tuberkulose. Georg leitete von nun an das Unternehmen allein. Der wirtschaftliche Erfolg und die weitere Expansion des Unternehmens führten zu Geschäftseröffnungen in anderen Städten, u.a. in Berlin3. 1888 zog die gesamte Familie in die deutsche Hauptstadt, wo Georg Wertheim bereits seit 1884 lebte und arbeitete.

In Stralsund eröffnete er am 5. Dezember 1903 das große Kaufhaus in der Ossenreyerstraße 8–10. 1927 wurde das Warenhaus erweitert. Der imposante Lichthof, der noch heute zu sehen ist, stammt aus dieser Zeit. Das Gebäude in Stralsund ist eines der wenigen erhaltenen Häuser des Wertheim-Imperiums.

Kurz vor seiner Hochzeit mit der Nicht-Jüdin und Tochter eines preußischen Rittergutsbesitzers, Ursula Gilka (1885-1975), trat Georg Wertheim zum protestantischen Glauben über. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, die beide in Berlin geboren wurden. Georg Wertheim pflegte den Kontakt mit den besten Kreisen seiner Zeit, förderte die Kultur und war Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen. Es gelang ihm, seine Warenhäuser durch den Ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre zu bringen.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten änderte sich auch für ihn alles. Die gesellschaftlichen Kontakte, die ihn, seine Familie und seine Unternehmen bislang geschützt hatten, brachen weg und den neuen Machthabern war sein Erfolg ein Dorn im Auge. Der gegen die jüdischen Warenhäuser und Geschäfte gerichtete Aprilboykott 1933 traf ihn noch nicht voll. Durch noch vorhandene politische Kontakte konnte er erwirken, dass seine Warenhäuser in den großen deutschen Städten nicht durch die SA geschlossen, sondern “nur” die Eingänge verstellt wurden.

Anders als Alfred Leonhard Tietz, der unter massivem Druck seine Warenhäuser für einen Bruchteil ihres Wertes verkaufte und mit seiner Familie 1934 Deutschland verließ, setzte Georg Wertheim auf Anpassung und Assimilation. Die nachfolgenden Restriktionen, wie das Werbeverbot für jüdische Geschäfte, das Verkaufsverbot für Radioapparate, Uniformen, Militärartikel und andere, stark nachgefragte Waren sowie der anwachsende Druck durch ausufernde Verwaltungsvorschriften schränkten seine unternehmerischen Möglichkeiten immer weiter ein. Zu diesem Zeitpunkt war Georg Wertheim nur noch Verwalter seines Unternehmens; die Banken hatten bereits die Kontrolle übernommen, da auf dem Gesamtgeschäft eine hohe Schuldenlast4 lag. Das änderte sich auch nicht, nachdem er 1934 seiner Ehefrau Ursula sein gesamtes Vermögen schenkte und Gütertrennung vereinbarte. Ab Mitte des Jahres 1934 ließ er seine Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender ruhen und sorgte 1935 dafür, dass seiner Frau die Aktienmehrheit am Unternehmen übertragen wurde. Mit seinem Austritt aus dem Unternehmen wurde 1937 der Name in “Allgemeine Warenhausgesellschaft AG” geändert, was bei den Stammkunden immer noch die Erinnerung an “Abraham Wertheim AG” wach hielt.

Zwischen 1934 und 1937 wurde ein Großteil der Berliner Grundstücke der Wertheim AG unter Wert verkauft und so konnten bis 1938 alle auf dem Unternehmen lastenden Bankkredite zurückgezahlt werden.

Auf äußeren Druck ließ sich Georg Wertheim im Dezember 1938 von seiner Frau scheiden und zog sich in die Villa seiner verstorbenen Mutter im Grunewald, Winklerstraße 12, zurück. Ein Jahr später, am 31. Dezember 1939, verstarb Georg Wertheim an einer Grippe mit Lungenentzündung und wurde in Berlin auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof, Bergmannstraße, bestattet.

Quellen:

  1. Geburtsregister der Stadt Stralsund,
  2. Internetseite des Vereins „Historische Warenhäuser Wertheim und Tietz in Stralsund“ e. V.
  3. Wohnungsanzeiger von Stralsund
  4. Stammbaum der Familie, www.geni.com
  5. E.Fischer/S. Ladwig-Winters: Die Wertheims, rororo-Verlag, Reinbek/Hamburg, 2. Auflage, 2008
1 Textilgroßhandel Fa. Wolff & Apolant, Berlin
2 Das Geschäft bestand aus einem abgetrennten Zimmer der elterlichen Wohnung.
3 1885
4 Diese Schuldenlast ergab sich aus den hohen Unternehmenssteuern (7%p.a.), die Wertheim bereits vor 1933 an den Staat abzuführen hatte und für deren Begleichung er hohe Kredite bei den Banken aufnehmen musste.