Vorname | Samson David |
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Nachname | Mandelbaum |
Geburtsname | |
Geburtsdatum | 19.06.1897 |
Geburtsort | Kulm (Chelmno), Pommern,heutiges Polen |
Wohnort(e) |
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Beruf | Kaufmann Lebensmittel, Schuhwaren, Konfektion |
Geschäftsadresse | Tribseer Damm 7, Stralsund |
Familienstand | verheiratet |
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Verwandschaftsverhältnis | Witwer von Frieda Hagemann (1904-1927), Ehemann von Meta Hübner (1914-1999), Vater von 4 Kindern |
Deportation | keine, Flucht nach Warschau, Überlebender |
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Todesdatum | 15.07.1974 |
Sterbeort | Israel |
Dokumente
- Zeitzeugenbericht Alfred Mandelbaum
- Briefe ehemaliger Stralsunder Juden an Eberhard Schiel, 1 und 2
- Artikel aus Pommerscher Zeitung, 28. Juni 1935, "Juda heiratet"
- Antrag David Mandelbaums auf Überlassen eines Einzelhandelsgeschäftes
- Artikel der Pommerschen Zeitung Nr. 162 vom 15. Juli 1935, "Cohn und Mandelbaum in Schutzhaft"
- Zeitzeugenbericht David Mandelbaum
David Mandelbaum und Familie
David Mandelbaum wurde am 19. Juni 1897 im polnischen Chelm/Kulm als Sohn des jüdischen Kaufmanns Samuel Mandelbaum und dessen Frau Taube, geb. Shafir/Szafir (1876-1943) geboren. Er war eines von drei Kindern des Ehepaares. Um die Jahrhundertwende zog die Familie nach Deutschland und ließ sich in der Straße „Ziegenmarkt 13“ in Parchim nieder, wo Samuel Mandelbaum ein Manufakturgeschäft eröffnete.
David studierte in Greifswald Jura und übernahm später die Manufakturgeschäfte seines Vaters in Parchim und in Greifswald.
Im Ersten Weltkrieg meldete sich David Mandelbaum als Freiwilliger und kehrte mit dem Verwundetenabzeichen und dem Eisernen Kreuz 1. Klasse zurück.
Wahrscheinlich im Jahre 1926 heiratete David die aus Friedland/Mecklenburg stammende Frieda Rut Hagemann. Sie starb bereits 1927, vier Monate nach der Geburt des Sohnes Harry und ist auf dem jüdischen Friedhof in Rostock beigesetzt. Harry zog später nach Guben, Wohnort der Schwester David Mandelbaums, Esther. Von dort wurde er am 17. März 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo er eineinhalb Jahre lebte, bevor eine erneute Deportation ihn im September 1944 nach Auschwitz und hier in den Tod brachte.
David Mandelbaum tritt als Stralsunder Kaufmann erstmals im Wohnungsanzeiger von 1926 mit einem Geschäft „Berliner Schuh- und Modewaren“ in der Wasserstraße 29 in Erscheinung. Das Geschäft führte seine Schwester Esther ungefähr zwei Jahre, 1931 wird seine Wohnung in der Frankenstraße 22 angegeben, das Geschäft in der Wasserstraße war zu diesem Zeitpunkt übergegangen an Hans Guss. David Mandelbaum betrieb mit zwei anderen Geschäftspartnern einen Lebensmittelladen im Tribseer Damm 7. Spätestens ab 1934 ist er eingetragenes Mitglied in der Stralsunder Synagogengemeinde.
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete David Mandelbaum im Juni 1935 die Stralsunderin Meta Frieda Karolina Hübner. Diese Heirat, so kurz vor dem Inkrafttreten der nationalsozialistischen Rassegesetze, ließ in Stralsund die Wellen hochschlagen und war Anlass für Hetzartikel in der regionalen NS-Tageszeitung, der „Pommerschen Zeitung“1 sowie für tätliche Übergriffe auf David Mandelbaum. Er wurde von SA-Schergen überfallen, misshandelt und kam in Schutzhaft. Dem Rat des Gestapo-Chefs von Stralsund folgend, verließ er Stralsund mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn Alfred noch am selben Abend in Richtung Poznan, Polen. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 packten sie noch einmal die Koffer und zogen sich weiter in das polnische Binnenland zurück. Sie gingen nach Warschau, wo die Familie von Davids Mutter in der Straße Pawia 40 ein Haus besaß. Dort trafen sie auf Taube, die Mutter von David, die wahrscheinlich Ende 1938 als polnische Staatsangehörige aus Parchim ausgewiesen worden war und Zuflucht in Warschau gefunden hatte.
Die Mandelbaums lebten nun im Warschauer Ghetto, im offiziellen Sprachgebrauch dem „Jüdischen Wohnviertel“, in dem sich die Lebensbedingungen durch ständig wachsende Beschränkungen der Freiheit und grassierende Krankheiten täglich verschlechterten, bis am 15. November 1940 das Ghetto hermetisch abgeriegelt wurde und sämtliche Juden Warschaus hier ihren Wohnsitz nehmen mussten. Meta Mandelbaum war es als Arierin gestattet, das Ghetto ungehindert zu betreten und zu verlassen; sie arbeitete auf der anderen Seite Warschaus und hatte dort auch eine eigene Wohnung. Nach Aussagen ihres Sohnes Alfred war sie für den polnischen Untergrund tätig und eventuell auch für den jüdischen Widerstand. Genaues lässt sich dazu heute nicht mehr sagen, denn es gibt keine Aufzeichnungen darüber. David Mandelbaum wurde zur Zwangsarbeit in der Uniformschneiderei Toebbens verpflichtet, die sich im Ghetto befand. Am 22. Juli 1942 übernahm die SS die Bewachung des Ghettos als Vorbereitung der geplanten Deportation. Noch am Abend vorher holte Meta Mandelbaum ihren Sohn Alfred aus der Pawia 40 zu sich in den polnischen Teil, wo er bis 1944 lebte.
David Mandelbaum gelang kurz vor dem Aufstand im Warschauer Ghetto im April 1943 die Flucht durch die Abwasserkanäle der Fa. Toebbens. Er versteckte er sich in der Wohnung seiner Frau in der Hala Mirowska 13 in einem ausgehöhlten Kaminofen. Als die Razzien der polnischen Polizei in dieser Gegend zunahmen, zog er mit seiner Familie in die Straße Krochmalna zu einer Frau Rebhuhn, die bereits zwei andere Flüchtige verbarg. Hier wohnte die Familie bis ungefähr Anfang August 1944.
Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes im Oktober 1944 wurden Meta Mandelbaum und Alfred durch die Faschisten nach Solejowek „umgesiedelt“. David Mandelbaum blieb mit seinen zwei Gefährten in seinem neuen Versteck, einem Bunker des völlig zerstörten Hauses Swietojerski-Straße 14. Die Bedingungen dieses Überlebens schildert E. Schiel nach den Berichten Alfred Mandelbaums in dem Buch „Die verlorene Kindheit des Alfred M.“2.
Nach der Befreiung Warschaus durch die Rote Armee machte sich David Mandelbaum auf den Weg nach Berlin und dann weiter nach Stralsund, wo er im Juni oder Juli 1945 ankam. Meta und sein zehnjähriger Sohn Alfred waren bereits dort und lebten bei Metas Schwester und dem Großvater. Noch im gleichen Jahr wurde in Stralsund das zweite Kind der Mandelbaums geboren, Hans-Joachim, der später in Palästina den Namen Uri annimmt.
David Mandelbaum trat in die KPD ein und wurde Mitglied der Entnazifizierungskommission, die in der gesamten russischen Besatzungszone aktiv war.
Auf den Namen Metas erhielt er eine Arbeitserlaubnis für einen Kleinhandel mit Lebensmitteln, inkl. Spirituosen, ausgestellt, der erneut im Tribseer Damm 7 auf Pachtbasis eingerichtet wurde. Hier übernahm die Familie das bereits existierende Geschäft eines Einzelhändlers, der im Zuge der Entnazifizierung keine erneute Arbeitserlaubnis erhalten hatte. Damit gehörte die Familie Mandelbaum zu den einflussreichsten Familien der Stadt.
1947 geriet David Mandelbaum in Konflikt mit der Sowjetischen Militäradministration. Es gab Gerüchte, dass er einem jüdisch-russischen Offizier zur Flucht in den Westen verholfen habe. Die Familie verließ Stralsund umgehend und ging in ein Sammellager für Juden nach Berlin-Zehlendorf und von dort in ein amerikanisches Kriegsgefangenenlager in der Nähe von München. Nach einigen Wochen brachte man sie nach Frankreich, wo sie sich, mit einem Visum für Venezuela versehen, gemeinsam mit anderen Juden, die nach Palästina ausreisen wollten, auf die „Exodus“ begaben. Das Schiff stach in See, aber die britische Regierung wollte sie nicht britisch-palästinensisches Hoheitsgebiet passieren lassen. Es entwickelte sich ein Konflikt, in dem die britischen Kriegsschiffe sich durchsetzten, die schwer beschädigte „Exodus“ erstürmten und zur Umkehr zwangen. Die Passagiere wurden von britischen Transportschiffen übernommen und nach Frankreich zurückgebracht. Auf Einladung der französischen Regierung konnten die Juden die Schiffe verlassen und Mandelbaums wurden neben anderen in einem französischen Hospital versorgt. Sie litten an Skorbut und erwarteten weiteren Familienzuwachs: Tochter Sylvia wurde als letztes der Mandelbaum-Kinder 1948 in einem Pariser Hotel geboren.
Nach der internationalen Anerkennung des Staates Israel startete David Mandelbaum mit seiner Familie einen erneuten Versuch, dorthin auszureisen. Sie fuhren mit der „Kadima“ am 10.08.1948 von Marseille los und quartierten sich kurze Zeit später in einem Haus in Jaffa ein. Die Lebensbedingungen hier waren nicht zu vergleichen mit Paris. Erneut setzte ein harter Kampf ums Überleben ein.
David Mandelbaum verstarb 1974 in Israel. Alfred wanderte früh nach Australien aus und heiratete Rachel aus Plozk in Polen. Alfred und Rachel haben drei Kinder, die alle heute noch in Brisbane, Australien leben. Sylvia Mandelbaum ließ sich in Melbourne nieder und ist dort noch heute ansässig. Nach dem Tod Davids holte Alfred seine Mutter Meta ebenfalls nach Australien, wo sie bis zu ihrem Tod 1999 in Melbourne lebte.
Quellen:
- Eberhard Schiel: Die verlorene Kindheit des Alfred M., Scheunen-Verlag, Kückenshagen/Saal, Mecklenburg, 2001
- Geburtenbücher Stralsund, Stadtarchiv Stralsund, 1874-1939
- Ehebücher Stralsund, Stadtarchiv Stralsund, 1874-1939
- www.online-ofb.de
- Nachlass Genz, Stadtarchiv Stralsund, NGen16
1 Siehe dazu, Artikel “Juda heiratet”, in: Pommersche Zeitung vom 28.06.1935
2 Siehe Quellen