Vorname Gertrud(e), geb. Leske
Nachname Joseph
Geburtsname Leske
Geburtsdatum 11.07.1880
Geburtsort Anklam
Wohnort(e)
  • Stralsund, Langenstraße 69
Beruf Verkäuferin
Geschäftsadresse
Familienstand verwitwet
Verwandschaftsverhältnis Witwe von Eugen Joseph (1883-1915), Mutter von Irmgard Miller-Joseph (1909-2007), Keith/Kurt (1911-1985), Eugene (1915-1997)
Deportation 12.02.1940 Piaski
Todesdatum 01.05.1945 für tot erklärt
Sterbeort Piaski, Polen

Gertrude Joseph, geb. Leske

Gertrude Joseph, geb. Leske wurde am 11. Juli 1880 in Anklam als Tochter des jüdischen Kaufmanns Sally/Salomon Leske und seiner Ehefrau Anna, geb. Saulmann geboren. Sie wuchs zusammen mit ihrer älteren Schwester Hedwig Struck, geb. Leske (1879-1952), in Anklam und in Greifswald auf.

Bereits vor ihrer Hochzeit im Jahr 1909 verstarben ihre Eltern. Die Hochzeit fand wahrscheinlich deswegen in Stralsund statt und ist dort unter der Nr. 15 des Eheregisters von 1909 verzeichnet1. Ihr Ehemann war der aus Stralsund gebürtige jüdische Bautechniker Eugen Joseph (1883-1915). Eugen Joseph war der Sohn des jüdischen Ehepaares Moritz Joseph und Ida-Charlotte Jacoby. Sein Vater unterhielt in
Stralsund ein großes Eisenwarengeschäft und war Mitglied der Synagogengemeinde.

Die jungen Eheleute blieben in Stralsund: in der Böttcherstraße 33 befand sich ihre erste Wohnung. Im Mai 1909 kam die älteste Tochter, Irmgard, in Stralsund zur Welt. 1911 und 1915 folgten ihre beiden Brüder Kurt und Eugen.

Eugen senior fiel 1915 als Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg. Die Aufzeichnungen der Familie geben den Sterbeort mit Przemysl, Polen an. Als Kriegerwitwe bezog Gertrude zunächst eine Pension, die ihr von den Nazis nach deren Machtergreifung jedoch gestrichen wurde2.

Die Familie von Gertrude Joseph war Mitglied der Stralsunder Synagogengemeinde. Sie selbst und ihre beiden erwachsenen Kinder Irmgard und Kurt erscheinen in den Listen zur Synagogengemeinde, die zur Zeit der Naziherrschaft 1934 und 1938 erstellt wurden.

Ab 1934 lebten Gertrude und die Kinder in der Külpstraße 15. Gertrudes Berufsstand wird mit Verkäuferin angegeben. Es ist allerdings nicht bekannt, wo sie gearbeitet hat.

Die Nazis warfen Gertrude aus ihrer Wohnung in der Külpstraße3 – ihre Möbel wurden buchstäblich auf die Straße geworfen, ihr Geld eingezogen. Einzig ein Bett und eine geringe Menge Geld gab man ihr später zurück. Sie fand Unterkunft im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde Stralsunds in der Lange Straße 69.  Auch das Fotoalbum der Familie überstand wie durch ein Wunder die Räumung der Wohnung in der Külpstraße. Ein Nachbar las es von der Straße auf und gab es nach Kriegsende den überlebenden Kindern zurück4. 1938 musste sie sich den Zwangsnamen Sara eintragen lassen.

Kurt versteckte sich nach seiner Abreise aus Stralsund 1938 eine Zeitlang bei seiner Schwester Irmgard, die als gelernte Krankenschwester im Jüdischen Hospital von Hannover arbeitete und ihm ein England-Visum besorgen konnte. Er verließ dann Deutschland und kam im Januar 1939 nach London, wo Irmgard bereits seit dem Oktober des vorangegangenen Jahres lebte und arbeitete. Sie hatte auch dem jüngsten Bruder, Eugene, ein Visum besorgen können. Eugen ging zuerst nach Holland zum Bruder seines Vaters, der
in Amsterdam eine Zigarettenfabrik besaß. Dieser wurde aber bereits durch die Nazis beobachtet und warnte ihn, so schnell wie möglich, Holland zu verlassen. Noch am nächsten Tag bestieg Eugen ein Schiff und traf zwei Tage später im April 1939 in England ein. Hier nannte er sich künftig Eugene.

Am 12. Februar 1940 befindet sich Gertrude Joseph unter den ersten Stralsunder Juden, die deportiert werden5. Danach verliert sich ihre Spur. Nach Kriegsende wird sie mit dem Datum 1. Mai 1945 für tot erklärt.

Im Oktober 1939 treten Irmgard, Kurt und Eugen in den Dokumenten der britischen Kommission für Internierungen wieder in Erscheinung, die sie aufgrund ihres Judentums von der Internierung für Angehörige einer ausländischen Kriegsmacht befreite6. Die drei Geschwister bleiben in England, heiraten dort, gründen Familien und überleben. Sie sterben zwischen 1985 und 2007 in ihrer neuen Heimat.

Für Gertrude wurde im Juni 2009 ein Stolperstein vor der Külpstraße 15 verlegt.

Quellen:
1) Zentrale Datenbank der Namen von Opfern des Holocaust, www.yadvashem.org
2) Gedenkbuch für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945,
www.bundesarchiv.de
3) Stadtarchiv Stralsund, Geburtenbücher, Ehebücher, Sterbebücher
4) Stadtarchiv Stralsund, Rep. 18, Nr. 435, Zur Synagogengemeinde Stralsunds
5) Nachkommen der Familie

1 Siehe Stadtarchiv Stralsund, Ehebuch 1909
2 Quelle: Familie
3 Quelle: Familie, Wahrscheinlich passierte dies während der Novemberpogrome.
4 nannte er sich künftig Eugene.
5 12. Februar 1940 Deportation nach Piaski
6 Siehe: www.findmypast.com